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Wake-up! Sleepers Poets Scientists!
Sleepers
Poets
Scientists
Sleepers Poets Scientists showcases works by Natalie Beridze's students at the CES Creative Education Studio, a privately operated school for design, audio, and video in Tbilisi. Beridze teaches song-writing and music production. Sleepers Poets Scientists is the first vinyl release of the CES. Anuschka Chkheidze gets things rolling. Not only opening the compilation, not only inspiring the title of the compilation with her composition «Sleepers, Walkers, Scientists», but she also stakes out the area, contributing four songs of 13 in total: «The Old Man And The Sea» is a breezy yearning piece with marching drums; «+995» the country code of Georgia, is a fleet-footed tiptoe exploration of clubby synth-pop in a tradition of Tokyo—Düsseldorf—Essex and — of course — Tbilisi; in «Only Notes» rhythmic pianos and e-pianos rhyme along hushy fairy voices; and «Sleepers, Walkers, Scientists» is a layering of airborne synthetic string pads, eerie vocals, spoken word, and drips over a whimsical beat. Natia Sartania, founder of the school, a.k.a. sTia contributes «One», a disconcerting piece of chamber music — obfuscated voices bounce off of the shiny coffer of a tempered clavier. Eto Gelashvili's «Rivers» is a melancholic pop tune with a vocal sensibility reminiscent of Tanita Tikaram. Tampa Gvarliani exhibits two works, «Thoughts» and «Failed to Open», a free-wheeling prettiness touching the country side and the urban ambient. And before we drown in the sweetest beauty, Ani Zakareishvili catches us in a classical Avantgarde mood with the concrete word-piece «Five Margarets — First M/Second M/Third M/Fourth M/Five Margarets»; followed by the ECM-like unsettling orchestra pit «Queen Size» with modified and mutilated stringed instruments by Nazi Chavchavadze. In «Snow Queen» Dea Bezhuashvili is observing flocks of crows over an open empty field in a bigbeat kind of manner, with echoing tones, and pitched synth stabs. In a second contribution she is featured on Katie Eristavi's ethereous shiny gem «Monument» — two minutes of pristine pulchritude. The grande finale is professor Natalie Beridze's own, topping the album off with the programmatic «Girl Galaxy», a dys—constructed elegancy of vocalised speed-pop. Sleepers Poets Scientists feels like a family album. Many pictures, some pale, some black and white, some colourful, some wiggly. They all have a glazier-like wide in common, a combining of expandedness with a sense of longing. Souvenirs from different hands and eyes and minds and ears, but belonging together, a togetherness defining beautiness. And with a certainty almost absolute, we will hear more more more of these artists.
(August 2018 for CES) John Harten — Himmel, Sterne, Rotzkaserne 26 April—16 Juni 2018 |Opening: Saturday, 26 April, 6—9pm | ITALIC, Leipziger Str. 61, 10117 Berlin, Germany Eine Methode, die er auch bei Magazine praktiziert. Freundschaft und Vertrauen. Die Schallplattenhüllen wiederum nutzt Harten als Leinwand; er setzt gefundene Bilder auf — lose, typografisch, meist nur zwei drei Felder auf monochromen Grund, eine gewisse blasse Grauheit, selbst wenn das Motiv farbig ist, Architekturfotografie, selbst wenn das Motiv ein anderes ist. Er überführt die Einzelbilder in eine Narration, die nicht das Album, den Titel und schon gar nicht die Musik illustriert, sondern parallel läuft. Um Illustration geht es ihm nie. Sondern um ein persönliches Kartografieren, ein Vermessen. Harten sucht Strukturen im Banalem wie im Erhabenen, setzt Referenzen zu Kunst, Geschichte, zu anderen Künstler*Innen. Seine Arbeit ist Sammlung, ist Archiv, sein Auswählen immer auch ein Behaupten. Himmel, Sterne, Rotzkaserne ist John Hartens erste Soloausstellung. Die gezeigten Werke sind im Zeitraum und Zusammenhang des Arbeitens an der letzen Ausgabe von Public Folder entstanden. Harten hat sie unter anspielungsreichen Pseudonymen im Buch publiziert (3) Sein künstlerisches Vorgehen hier mit dem Verarbeiten von Found Footage zu beschreiben, greift es nicht. Es ist eine Auftragsarbeit (4), die Motive referieren auf Originalbilder, und dem Finden ging ein gezieltes Suchen voran: Golden Record widmet sich einer Neuinterpretation des Bildwerkes auf der eponymen Schallplatte, die (mit einem Plattenspieler und der Erläuterung, wie die Tonfolgen zu dekodieren seien) im Jahr 1977 als Teil der Voyager—Mission in den Weltraum geschickt wurde mit der Idee, etwaigen ausserirdischen Entitäten einen Blick auf die Erde und die Menschheit zu ermöglichen. John Harten nun lud über hundert Künstler*Innen ein, die enzyklopädische, ikonographische Werbekampagne der 1970er Jahre ins Heute zu übersetzen. Ein neuer aufgeladener Container ist entstanden, der nicht in den Weltraum geschickt wurde, aber in spätestens vierzig Jahren dem modernen Menschen von unserem antiquierten Heute berichten wird. Ein großer Spaß! Und Vermessen im besten Wortsinne. (1) Der parallel erschiene Private Folder war, wie der Name suggeriert, ausschließlich eigenen Arbeiten vorbehalten. (2) in der Interpretation der thematischen Klammer. (3) Helmut Herzen ist ein Reverse Engineering von 'John Harten' unter Zuhilfenahme der Technik John Heartfields, bürgerlich Helmut Herzfeld, und natürlich eine Hommage an diesen; Herman Schleifheim, nach einem der zahlreichen Anagramme Grimmelshausens (hier um einen Buchstaben verschoben); Evi Zienzinger einmal zusammenschreiben und dann laut lesen bitte; für Karol Gutjansky nach Jansky suchen; John v. Foerst würde ich als Amalgam von Heinz von Foerster und John von Neumann lesen, hübsch auch Karl Foerster — als Brücke zu Melvin Cortes, dieser, wie auch Simon Marius sollten leicht zu finden sein; und unter dem Alias Crato veröffentlicht Harten auch Musik. (4) von ihm an sich selbst! (April 2018, for Italic) John Harten — Himmel, Sterne, Rotzkaserne
John Harten is an artist and musician living in Berlin. (Translation: Alexander Paulick)
Nicht zu trocken
Skulpturen, in einer spielerischen Leichtigkeit, Skulpturen, in Raumanordnungen, Menschenähnliche und ein Eselchen, schillernd in lichten Strukturen aus Holz und beigegeben kleine Stapel von Dingen, Attribute, die sie einordnen ins Verstehen, als Den Poeten, den armen, in der Dachstube, der sich im Moment des Entzündens nichts mehr wünscht, als dass es ihm doch auf den Kopf regne, Das Tier, schwer beladen mit Geometrie und Leinwänden, oder Die Künstlerin, vielleicht sie selbst, die Künstlerinnen, verdoppelt, geteilt durch zwei, warum auch nicht: entschieden! 2007 schufen Thea Djordjadze und Rosemarie Trockel in Köln Skulpturen, die sie anschliessend an einer offiziellen Abbrennstelle am Niederrhein entzündeten, mittels Feuer transformierten. Ein performativer Moment, Teil des Schaffensprozesses. Wo Skulptur beginnt, wo sie endet: die ausgestellten Objekte bewahren eine Hälfte der entstandenen Asche auf. Die zurückgenommene Farbigkeit, die Beleuchtung, die sachlich reduzierte Anordnung, ein Ruhepunkt für die Augen, Lob der Langeweile, dass der Geist um so aktiver wird. Die Vitrine als Gedenkstätte und somit Verweis auf ein Anderes. Menschengleiche Personengruppe, Allegorie der Künste, Mannequins im Glimmen im Verschwinden begriffen, Cyborgs, Zwitterwesen. Halb Idee, halb Kartonage. Halb Leuchten, halb Dämlichkeit. Und das Eselchen — von Goya verspottet, gleichwohl als Seth, Horus und Satyr verehrt, Goldesel und treuer Gefährte von Sancho Panza und Orson Welles, «etwas Besseres als den Tod findest du überall» denkt Bressons Balthazar. Rituale am Aschermittwoch, zum Frühlingsanfang — Feuer treib' sie aus: die bösen Geister, die Winterkälten, und die zu vielen Ideen auch. Ganz Mensch. Death is not the End. Werden zu Asche. Als der Arzt auch Koch war und vier Säfte den Körper in Einklang hielten, als man Flüssigkeit noch Humor nannte, keine Flüssigkeit Humus war (und kam und blieb), die tote Erde, die dann wieder Früchte trägt. Was lange weilt, wird endlich gut. Die andere Hälfte der Asche wurde unter Bäumen auf einem Wiesenhang mit Blick auf Kassel begraben. Kas = die Mulde und Seli = das Gebäude, vorchristliche Siedlungsspuren, erste urkundliche Erwähnung um 900, im 19. Jahrhundert Stadt der Romantiker, Gebrüder Grimm, von Arnim, Brentano, 1943 dann Flächenbombardement, Feuersturm. Autogerechter Neuaufbau, und 1955 als Begleiter der Bundesgartenschau die erste documenta. Die in 5 Jahresschritten zur wichtigsten Bestandsaufnahme zeitgenössischer Kunst werden sollte. Eine Landkarte von Möglichkeiten. Die Künstlerinnen verbrennen das Manuskript in vollem Bewusstsein, ein zerstörerischer Akt als Prozeß der Verwandlung, das schwarzes Pulver ein zerstobener Diamant, Ashes to Ashes, eine Skulptur, die nicht zerbrechen kann. Die Parzelle Land über der Asche ist Teil der Arbeit; ein Fixpunkt, spukhafte Fernverbindung, ein energetisches Feld. Ein Stück Wiese überantwortet, dem Immobilienmarkt entzogen. Begräbnisstätte sowohl als auch Teil der Skulptur. Ihr Schicksal eingeschrieben in ihr Erscheinen, ihr Verschwinden, ihr erneutes Erscheinen als Verwandeltes, ein Kreislauf der Natur, Natur als System. Natur schon immer als von Menschen Gedachtes. Und Kunst als Teil desselben.
Eine Urne überreicht, befüllt mit einem Häuflein Asche: Ein Aufbewahrsystem, Verweis zum einen auf den kreativen Prozeß und auf die eigentliche Arbeit, gleichzeitig Teil davon, zum anderen auf die Profession des guten Sammelns — des Aufbewahrens, des Zurschaustells, des gesellschaftlichen Teilens. [Januar 2018] Lob der Langeweile
Not too dry
Sculptures, in a playful lightness, sculptures, in spatial arrangements, anthropoids and a little donkey, iridescent in slight structures made of wood and bestowed with small piles of objects, attributes that classify them into understanding, as The Poet, the Poor, in the attic, who at the moment of ignition desires nothing more than rain on his head, The Animal, heavily laden with geometry and canvases, or The Artist, perhaps them, the Artists, doubled, divided by two, and why not: a decision! (Translation: Amy Patton, Andreas Reihse)
... top. AirChina
Raus aus der Stadt!
Flattern aufgeschreckt davon. ~~~ AIRCHINA. Eine Idee von Japan. 1983, 84, 85. Getrennt durch Raum und Zeit. Von hier aus gesehen, Düsseldorf. Signale, wie sie Pyrolator empfing, Tokyo, wie es Hosono Haruomi und Ryuichi Sakamoto beschrieben. AIRCHINA. Pluckernd analoge Rhythmik, subtraktive Synthese und Softwaresynths. Melodien schichten sich licht in asiatisch anmutendem Gewand. Aber nicht so einfach: ein fremder Blick. Ambient — instrumentale Eleganz, Kammerstücke, Miniaturen, Popschönheit — wer Namen braucht: The Orb, Ultramarine oder auch Oneohtrix Point Never im Sinne. ~~~ AIRCHINA ist ein Projekt von Nikolai Szymanski. Szymanski — auch Fanta Dorado Und Der Innere Kreis (2012 auf italic), vor allem aber Komponist, Sänger, Elektroniker und Umschlagkünstler von Stabil Elite — 2007 mit Lucas Croon und Martin Sonnensberger gegründet: den Namen AIRCHINA nutzte er das erste Mal 2013 für eine Videoarbeit nach Auftritten der Band in China. ~~~ Am Telefon sagt Szymanski, beim Album wäre es ihm auch um die Poesie des Alltags und des Banalen gegangen. Wenn AIRCHINA Alltag und Banale ist, dann unendlich mehr davon! (Januar 2018, for Italic) ... top.
HENDRIK KRAWEN — ICH SING' DIR EIN LIED (eine Ausstellung in zwei Teilen) 9 September—4 November 2017 | 11 November 2017—30 Dezember 2017 | Opening: Saturday, 9 September, 6—9pm | ITALIC, Leipziger Str. 61, 10117 Berlin, Germany Ein durchgängiges Merkmal in seinem Werk ist die Reduktion. Bei der Nähe und Referenz vieler seiner Arbeiten zu Popkultur und Musik und beim Wissen um sein begeistertes und begeisterndes Musiksammeln und Auflegen (auch hat er Flyer, Poster und Schallplattenhüllen gestaltet — darunter acht für italic) könnte man von Dub sprechen. Wo in diesem Genre (ursprünglich vom Reggae ausgehend) Stücke entschlackt, auf die wesentlichen Elemente reduziert und dann beispielsweise einzelne Marker mit Echoeffekten wiederholt werden, da interpretiert Krawen die umgebene Welt in der Reduktion auf präzise, kühle Zeichnungen, arbeitet mit monochromen Farbgebungen und macht in Pattern und Mustern die Konstruiertheit eines vermeintlichen Durcheinanders sichtbar.
Krawens Handzeichnungen erinnern an Ingres, an die illustrativen Arbeiten des frühen Warhols, an die frankobelgische Comic — Schule Ligne — Claire und natürlich an Architekturzeichnung. Penibel ausgearbeitet kontrastiert er sie oft mit groben Schattenwesen, die in ihrer malerischen Qualität aber über reine Staffage hinausgehen. Krawens Werkzeuge sind Pinsel und Farbe, den Graphitstift benutzt er höchstens mal privat oder im Skizzenbuch. Für den ersten Abschnitt fügte Hendrik Krawen in situ sechs Einzelwerke zu einer großen Erzählung. Fünf Querformate, ein Quadrat. Die Farbpalette reduziert auf braun, gelb und grün, der Auftrag flächig. Ich sing' Dir ein Lied. Von links nach rechts zwei Schattenrisse, eine Umarmung, ein Kuss, Klappbilder, ein Spiel mit starken Kontrasten, was ist da, was nicht, was die Substanz, was ist die Leere — nur ein Traum? Das wiederholt sich in den Sternen, wenn ich sie ausstanze, sehe ich sie dann? — oder eben nicht? »Fatal« (Öl auf Leinwand, 2016) ist der Titel der größten Arbeit. Ein städtisches Straßennetz, ein Beziehungsgefüge in worteigenstem Sinne: gerahmt von zwei Wasserläufen in Form einer männlichen und weiblichen Silhouette, die in einer sich begegnenden Bewegung verharren zu scheinen; die Straßennamen sind ein Alphabet des Kennenlernens, Liebens und Abschiednehmens. Neben dem grünen Quadrat, dann »Fin«, das Ende, orangebraune Schrift, der dunkelbraune Hintergrund wölbt sich hoch, die Farbe scheint abzuplatzen, gibt Raum frei, für ein Dahinter: Ich sing' Dir ein Lied. Und es ist lange nicht zu Ende. Der zweite Abschnitt gehört der gegenüberliegenden, gekachelten Wand: Das Gemälde »Golf von Oman« (öl auf Leinwand, 2017) ist Teil seiner 1991 (erster Golfkrieg) begonnenen Serie von Motiven mit öltankern. Hendrik Krawen übersetzt das Sujet der Marinemalerei realer oder möglicher Veduten — lesbar aus der Zusammenstellung der Schiffsmodelle — in seine Sprache: der äusserst tiefe Blickwinkel und Horizont, der weitaufgerissene Himmel, die Präzision in der monochromfarbenen Darstellung — das begegnet einem auch in seinen Stadtansichten — wo die reale oder mögliche Verortung anhand von architektonischen Elementen und typographischen Zeichen — so Hinweisschilder oder Werbetafeln — sichtbar wird. Ich sing' Dir ein Lied, die großen Schiffe entfernen sich von uns, ich seh' sie im Horizont verschwinden.
Hendrik Krawen (b. 1963, Lübeck) lebt und arbeitet in Berlin. Er wird von den Galerien Lia Rumma Neapel, Kerstin Engholm Wien und Kewenig Berlin/Palma de Mallorca vertreten.
(September 2017, for Italic)
HENDRIK KRAWEN — ICH SING' DIR EIN LIED
Hendrik Krawen's artistic focus is on painting, drawing and graphics.
(Translation: Alexander Paulick)
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»Es gibt Straßen, Pfade, Autobahnen, Gassen, Sandwege und Promenaden ...
Im Jahr 2015 stand der Regisseur Heinz Emigholz inmitten einer Kreuzung, und alle Richtungen, in die er blickte, schienen Sackgassen. Für den Kreidler/Tbilisi—Film hatte er Notizhefte transkribiert, eher überraschend waren zwei neue Monografien in Arbeit, für einen weiteren Film hatte er einen Stream of Consciousness über Straßen, Wege, das Schreiben 2 aufgezeichnet — vier Filme im Entstehen, aber er sah nicht, wohin sie gehörten.
Ein Sprung zurück. Wo in seinen monografischen Architekturfilmen 4das Schreiten von Gebäude zu Gebäude ein Episodenhaftes ist, das Bewegen ein Stop and Go, wir mit Schildern, die uns und das Abgebildete aus dem Schweben holen, in Raum und Zeit verorten, von Station zu Station geleitet werden, und Bewegung neben der Narration der Sequenz und der Tonspur hauptsächlich in den Bildern der einzelnen Station liegt — es ruht, das Bild, ein paar Sekunden, dann folgt der Schnitt zum nächsten, von stehender Einstellung zu stehender Einstellung, die Schräge dominiert, das Auge braucht einen Moment, um sich zu orientieren, irrt herum, die Stimme schweigt, kein Kommentator, das Umgebende schwingt und singt, ein Hubschrauber, Insektenpfeifen, Straßenverkehr, Passanten auf leisen Sohlen — keine zusätzlich produzierte Musik — , da gerät 2013 mit The Airstrip alles in Fluss. Schliesslich macht es der Film sich zur Aufgabe, die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen. Womit Emigholz seine Architekturreihe beendete — dachte er zumindest zu diesem Zeitpunkt 5 — , mit einem Film, der alles verdichtete, Aufbruch der Moderne Teil III 6, einige nachgetragene Lieblingsgebäude 7, friedlichen und kriegerischen Betons entlang, vom unschuldig—tuenden Frühkapitalismus eines ersten Warenhauses über anwidernde, deutschnationale Bildhauerei, Fleischmassenwirtschaft, Pazifkkrieg, Atombombe, hin zur nicht—versöhnten Bushaltestelle. Und mit einer Erzählstimme. Und Musik 8 . Und das war neu.
Ein mäanderndes Werk — wie Emigholz gesamtes Werk in Film und Grafk und Wort — mäandernd, aber nie Irrlauf — sich umspielend, ergänzend, ausweitend. Spuren und Wege aufnehmend, Spuren und Wege aufzeichnend und aufzeigend. Eine Sackgasse?
The Airstrip hatte Heinz Emigholz bereits nach Uruguay geführt, neben dem Flughafen Montevideos sehen wir zwei Bauten von Eladio Dieste. Die Musik im Film ist von der Band Kreidler 9, die Stimme von Natja Brunckhorst 10 . Und in 2013 erschien sein Kurzflm Zwei Museen: die Gegenüberstellung eines Baus von Renzo Piano, der auf Samuel Bickels Museum of Art in Ein Harod, Israel, basiert. Wege, Verknüpfungen.
Auch wenn in Emigholz' Architekturfilmen Bauwerke im Mittelpunkt stehen, so hat er doch immer den umgebenden Raum mit eingefangen 11. Mit der Benennung seiner neuen Serie als Streetscapes dreht er also weniger seinen Blick um (und/oder die Kamera) als vielmehr, dass er sich seinen vor allem aber uns 12 unseren Blick verdeutlicht. Vier neue Filme, entstanden zwischen 2013 und 2017, die in unterschiedliche Richtungen strahlen, wobei der zuletzt fertig gestellte Streetscapes [Dialogue] 13 Kernstück und Titelgeber ist, und die Anordnung aller Filme bedingt. Man muss sie nicht in nummerischer Reihenfolge sehen 14, man sollte sie aber alle sehen.
Teil III — Streetscapes [Dialogue]. Einer von Heinz Emigholz' schönsten Filmen. Das Reenactment eines über mehrere Tage laufenden Gesprächs (gekürzt) zwischen ihm und dem Trauma—Experten Zohar Rubinstein. Ein Dialog, der über alle Filmschnitte, über alle Zeit— , Raum— und Ortswechsel (Kontinente!) weiterläuft, ein Dialog in höchster Konzentration und gleichzeitigen Leichtigkeit des Ausdrucks (nicht des Inhalts!) — dank auch der herausragenden Darsteller John Erdman und Jonathan Perel 15 — , ein irrsinniges (nicht des Inhalts!) Durch—Sprechen von der ersten bis zur letzten Filmminute. Wie vom Schweigen ins Sprechen kommen, es ist eine Zuhör—/Gesprächssituation — keine therapeutische Sitzung im eigentlichen Sinne — , ein Versuch, die Blockade des Künstlers zu lösen, das Nichtweiterwissen mit der eigenen Arbeit, dem Arbeiten, das Aufzeigen und Entwirren des bisherigen Werkes und Weges, Zeichnungen und Aufzeichnungen, Verwerfungen, die in Zweifel und Verzweifung münden 16, auf der Suche, wo es stockt, schliesslich genau dieses Darübersprechenkönnen als Lösung und zwar dann genau auch als Film, diesen Film, und der dann auch die Probleme der anderen Filme löst, ein Ausweg, ein Weiter: Plötzlich ein Bild. Und dieser Film bekommt die Klammer [Dialogue].
Im Jahr 2015 stand der Regisseur Heinz Emigholz inmitten einer Kreuzung. Und er ging einfach weiter. In alle Richtungen.
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(September 2017, for catalog Viennale)
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KR — EI — DL — ER buchstabierten die Kartonagen in Übergröße. Vier Portraits in hartem schwarzen Duktus. Vier strenge Charakterstudien. Kein Verstecken. Wir schreiben Juli, den Vierzehnten, Zweitausenddreizehn. Wir stehen im Freien, Sonnenstrahlen brechen sich regenbogenfarben in einem Hafenbecken. Die Bandmitglieder haben ihre Bühnenposition dem entsprechenden Kopf gewählt, über uns. Unter uns gilt nicht. Natürlich wollten wir von Anbeginn im Pudel spielen. Natürlich ist es schwierig für eine Entität wie den Pudel, die Logistik einer Band — zumal nicht aus der Hansestadt — zu stemmen. Was schon ging, waren Soloauftritte von Detlef und Andreas — live und Schallplatten. Immer Glücklich, immer eine Ehre. Und natürlich gehörte bei jedem unserer Hamburgaufenthalte der Besuch des Pudels zum Pflichtprogramm. Zur schönsten Pflicht, denn es war und ist das seltene Moment, wo sie mit dem größten Vergnügen einhergeht. Dann kam der Anruf von Ralf, und KREIDLER spielen Pudelgarden Live VII. Grandios. Die Polizei tanzte ab der Zugabe mit. Beim Rückbau unserer P.A. schraubten wir die Kartons heimlich ab und versteckten sie in unserem Bandvan. Das Bandankündigungsplakat dagegen ist nie in unsere Hände gefallen. Schlagzeugmikrofonierung, Detlefs Zigarette, Alex' Krönchen, meine Brille, eine abgebrochene Note — eine Zeichnung wie ein Rätsel, von einer rasend rasanten Dynamik, vorwärts vorwärts vorwärts! Heute schaut ER mir in meinem Spreestudio über die Schulter. Mit mahnendem Blick: mach' ja keinen Quatsch! Aus irgendeinem Grund waren eine zeitlang auch EI und — kurioserweise — Phuong—Dan Gast bei mir. Habe ich dann aber Alex zum Kotti getragen und Dan zu einem Gatto Musculoso. Ein bisschen Mahnung schadet schliesslich auch ihnen nicht. (Andreas für KR — EI — DL — ER) (August 2016, contribution to catalog Die Welt ist eine Pudel) ... top. Nikakoi — Raise Your Head and Smell The Air
Nika Machaidze ist ein begnadeter Künstler, manche nennen ihn Geniosi. Nika ist Filmemacher, vor allem von ausgezeichnetem Zeichentrick, aber noch mehr und hauptsächlicher ist er Musiker — am bekanntesten als Erast (Fandorin) und eben als Nikakoi (russ. für »Keiner«). Ich lernte Nika Machaidze Anfang der 2000er Jahre in Tbilisi kennen. Sein Zimmer wurde mir als Center of the Universe vorgestellt — so sah es aus: auf allen vier Seiten bis unter die Decke vollgestopft mit Büchern, ein paar Sitzmöbel und auf dem Tisch ein aufgebohrter PC mit fruity loops. Das Internet war langsam und wackelig, aber die Verbindung nach England stand. In der Wand ein kleines Fenster nach Georgien. Es gab wenig Grund, diesen Raum zu verlassen, aus dessen Zutaten sich auch seine Kunst speisen sollte. Nikakois Musik steht auf komplex gebrochenen, auf rauschig knarzenden Rhythmen, angstfrei begegnet er aber auch der Geraden Bassdrum. Das kam über das Internet — von Warp und South—East—London beispielsweise. Komplex sind auch seine melodischen und harmonischen Schichtungen, Beobachtungen vielleicht durch das kleine Fenster, Spiegelungen in der Scheibe: Georgische Soldaten in Balerinas, die selbstbewußtesten Brauttänze, der freie polyphone Gesang, Giya Khanchelis Filmmelodien. Und natürlich stimmt das alles so nicht, denn das Stottern abgestoppter Melodien und geschredderte Flächen tragen genauso zum rhythmischen Gefüge bei, wie der Raum zwischen Bassdrum und Snare zur Harmonie. Ein Verweben und Ineinandergreifen, wo ein Instrument selbstverständlich Elemente aus einer anderen musikalischen Gruppe nimmt, dreht und weiterführt. Raise Your Head and Smell The Air ist Nikakois jüngstes Album. Fünf neue Stücke, ein Remix. Weniger Unruhe hier, weitere Bögen, eine Gelassenheit, nur ein leichtes nervöses Beben im Hintergrund. Das titelgebende Stück beispielsweise, wie es sich Zeit lässt, uns lachend mitnimmt auf eine vierzehnminütige Reise auf einem offenem Güterzug: halt die Nase in den Wind, streich Dir die Haare aus dem Gesicht, immer und immer wieder. Atme, rieche, spüre den warmen Sommerregen auf Deiner Haut, hier ist Europa! Nikakoi ist ein Vagabund, aber einer, der nicht wandert, eher einer, der pendelt, zwischen den Welten. Er jongliert, er spielt mit Samples und Traditionen, er orchestriert, er setzt sich an den Flügel. Manche mögen das IDM nennen, Intelligent Dance Music. Da schwingt aber immer als Beleidigung mit, intelligent = zu blöd, um richtige Tanzmusik zu machen und Pop schon mal gar nicht. Nichts ist Nikakoi ferner, er ist ein Meister des Pop, alle Komplexität ist nie Selbstzweck sondern immer dem Song dienend, Schönheit ist ihm immer Argument, Poesie sowieso — schon in der Titelabfolge:
Raise your head
How is she there in the fog Stars to the left. Und, wer zu seinen Beats nicht tanzen kann, kann vermutlich auch sonst nicht viel.
_*_ After releasing »Bakradze«, the label Transfigured Time returns with its 4th release — again from a Georgian artist: Nika Machaidze aka Nikakoi aka Erast. Machaidze is a Tbilisi based musician who started his career in the late 1990s. He is member of the artists collective GOSLAB — alongside Natalia Beridze, Gogi Dzodzuashvili (Post Industrial Boys), David Meskhi, Salome Machaidze, Zaza Rusadze among others. »Raise Your Head and Smell The Air« includes 5 original tracks and 1 remix from Georgian producer HVL. The cover photo is by artist David Meskhi. (August 2016, for Transfigured Time)
Nikakoi — Raise Your Head and Smell The Air
Nika Machaidze is a gifted artist, some call him geniosi. He is a filmmaker, notably of superb animation, but over and above he is a musician — best known as Erast (Fandorin) and — exactly! — as Nikakoi (Russian НИКАЋОЙ translates as 'no — one').
Raise your head
And the one who cannot dance to his beats, probably cannot do much else.
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»back from the stars — to an earth run wild...«
Wolken Wolken Wolken. Von amethystfarbener Schwere. Licht am Horizont. Eine Sonne. Kein Punkt, keine Scheibe, keine Fläche, kein Regenbogen. Ein Streifen. Ein runder Verlauf. Ein Binnenloop. Honigfarbener Bernstein. Worte. Unser gleißend weißer Gleiter hüpft mit Leichtigkeit hindurch. Luftsprünge. Überschläge. Herzschlag. Ein Blütenregen, ein kristallines Heranschaben, ein prasselndes Untertauchen. Eine verflossene Schrift, aquamarinfarbene Worte, angespült. Ein Weiter—Leben. Buntgescheckte Papierstreifen flattern im lauen Frühlingshimmel, luzide Pinselstriche formen sich zu Sprache, ein Traum, ein Trost, ein Wiegenlied, — გულიაგავა? Eine Herzensangelegenheit.
გულიაგავა, von Natalie Beridze, TBA, Tusa Beridze. Wie ihre letzten Platten in Tbilisi aufgenommen, südöstlichstes Europa. Die Metropole fernab popkultureller Schlagadern, deren Jugend dennoch genau beobachtet, was Draußen passiert, und die dieses Andere mit leichter Hand in die eigene Welt einbaut. Dabei nie Gefahr läuft, belanglos Tagebuch zu schreiben, im Gegenteil dieses erweitert Eigene, dieses Angereicherte wiederum dem Außen zur Verfügung stellt.
Natalie Beridzes Kooperation mit Monika Enterprise begann 2005 — sie war eine von vier Künstlerinnen der Compilation 4 Women No Cry Vol.1. 2010 folgte ihr Album Forgetfulness. In den letzten beiden Jahren hat Beridze გულიაგავა produziert. Drei Stücke, »Museum on your Back«, »Those Things«, »Opening Night«, sind mit Gacha Bakradze (Apollo/R&S) entstanden, mit dem Beridze seit 2014 zusammenarbeitet. »Opening Night« ist darüber hinaus Teil des Soundtracks zu Salome Machaidzes / David Meskhis / Tamuna Karumidzes preisgekröntem Film »When the Earth Seems to Be Light«. Den Song »Hello« hat sie mit Gio Koridze geschrieben, einem Studenten an der Tbilisier Medien — Hochschule CES, wo sie Komposition unterrichtet. Die Worte zu »Fishermen 2015« sind aus dem Abschiedsbrief eines im Mittelmeer ertrunkenen syrischen Flüchtlings.
Natalie Beridzes Musik ist von einer selten berückenden Schönheit — selbst, wenn sie Beats zerschreddert oder knarzig 4—to—the—floor rockt. Sie bewegt sich in einer eigentümlichen Tonalität aus verminderten Akkorden, die häufig in die Moll—Harmonik hineinreicht, eine Tonalität, in deren melancholisch sehnsüchtiger Anmutung oft ein verstörender, fragender Unterton mitschwingt.
Wo es Natalie Beridze früher oft reichte, anzudeuten, zu verharren, den Bruch zu thematisieren, da formuliert sie hier aus: Ihr Gesang klang noch nie so beseelt, ihr Songwriting war noch nie so vollkommen und ihre Arrangements bei aller Komplexität noch nie so rund. გულიაგავა ist Beridzes Album Nummer 10 und es ist nicht weniger als ihr Meisterwerk.
(Cafétéria, Cité Internationale Universitaire de Paris, Februar 2016)
Natalie Beridze — გულიაგავა
»back from the stars — to an earth run wild...«
(Cafétéria, Cité Internationale Universitaire de Paris, February 2016)
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A rattling noise. Conquers the room. Runs from the left to the right. A sound surface swells, passes away. The crossfader moves slowly, stops a little left from the centre, the other hand releases the vinyl. Sets the record free. A beat enters. A steady and slow pulse. Takes over. Muffled. A metal scream. Notes glide into each other. Moving. Keep on moving. Circuit. Electric. Breathing. Fainting. Drowning.
People keep on moving. Keep on moving. The dance—floor is vibrating. Flesh and Fog. Sub—bass of the Subconsciousness. Worlds of fear and madness. Swallow the surrealistic pillow. An even slower swelling, a short twitch of his fingers, than the crossfader moves again. Confusing patterns, without a clear rhythm or tonal order. Now they are free. Now they are dying away. Now they are matching the beat. A bass line. Restless, relentless. Dancers yell out in delight!
Phuong—Dan is a renowned DJ based in Hamburg, Germany.
Since seven years he runs the club—night Gatto Musculoso, with guests like Italian cosmic—disco pioneer Beppe Loda, Veronica Vasicka of the Minimal Wave label, Daniel Wang, Tolouse Low Trax, Hunee, Anika, Lovefingers, Traxx, Alexis Le—Tan, or Ghedália Tazartes.
These list is far from complete but does describe the personal taste of Phuong—Dan and so the musical range of his DJ sets. He is spinning an unique eclectic mix from contemporary underground techno, minimal synth, post—punk, new pop and EBM, the electronic side of kraut—rock, and rare disco, to flashy leftfield experimental stuff — he couldn't care less for narrow minded ones who restrict themself to a certain genre or a specific decade, he is exploring the whole world of music on search for the groove of the night. Naturally, it should be on vinyl.
Phuong—Dan is a regularly guest at Düsseldorf's Salon Des Amateurs, he played noted clubs like Robert Johnson in Offenbach, Le Sucre in Lyon, or 20/44 in Belgrade; but also in art spaces like c/o Berlin, Haus der Kunst Munich, Kunsthalle Vienna , or at events like International Short Film Festival Oberhausen, Foreign Affairs Berlin, European Media Art Festival Osnabrück, or Überjazz in Hamburg.
He had supporting slots at concerts of artists like Asmus Tietchens, Dieter Moebius (of Cluster fame), Jorge Velez, Sean Canty (Demdike Stare), Kreidler, Felix Kubin, Neud Photo and many more.
Since January 2015 Berlin Community Radio streams the opening hours of his Gatto Musculoso : when he shares the decks with his guest playing each other new discoveries or old faves, loosely dedicated to the more nonfunctional side of music.
Phuong—Dan has produced a whole bunch of podcasts for sites like Noiseinmyhead, BCR, Lovefingers, Noncollective , or LesYeuxOrange. For a deep dive into his DJ skills and programme catch him on his Soundcloud page.
(September 2015)
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To Rococo Rot, aus Kreidler geboren, und jetzt verschieden. Das möchte man gar nicht sagen, ist ja auch nicht so, als würde es nicht weitergehen, als wäre es nicht nebenher immer schon weitergegangen, beispielsweise Ronald mit Tarwater, Stefan mit Mapstation, oder Robert mit Superredstructure. Aus Kreidler geboren, wir waren 1995 in Berlin, um ein Album im Milchhof aufzunehmen, was dann Weekend heissen sollte; am Mischpult saß Bernd Jestram — die andere Hälfte von Tarwater. Es war Prenzlauer Berg, the place to be damals, der mit dem heutigen nichts zu tun hat, es war Winter und lausig kalt, es roch nach Kohle, was damals noch zu Berlin gehörte, wo heute nur die Unhöflichkeit geblieben ist, es war Mitte der 1990er, und es gab Ruinen allenorts und Offenes und Clubs und Bars, die eine Woche später schon ganz woanders waren oder verschwunden oder plötzlich doch wieder da. Es war anstrengend, es war aufregend. Spätestens nach zwei Wochen freute ich mich wieder aufs Rheinland. An einem jener Abende im Milchhof wollten wir zusammen eine Session machen. Verteilt im eisigen Raum um ein paar versprengte Zuhörer. Wir, weiss nicht mehr genau, was das hieß. Es gab noch Ornament und Verbrechen damals, die große Prenzlauer Berg Band — die Entsprechung zu den Leipzigern AG Geige — jedenfalls, wer dann zusammenspielte, waren Robert Lippok und Detlef Kreidler und Andreas Kreidler. Es gibt keine Aufnahmen davon, aber ich denke, wie so oft, ist das auch gut so. Natürlich spielten wir irgendein Elektronikgedudel, ich habe keine Erinnerung, ob wir midifiziert waren. Jedenfalls, irgendwie war das beinahe die Geburtstunde von To Rococo Rot. Detlef und ich waren überrascht, als dann ein paar Monate später die Lippokbrüder sich Stefan ausgeguckt hatten für eine Platte, die anstelle eines Kataloges ihre Ausstellung begleiten sollte, oder vielleicht eher abschliessen. Und aus diesem one — off Projekt wurde eine Band für 18 Jahre.
Stefan spielte rund zwei Jahre parallel bei Kreidler und To Rococo Rot, was eine unerträgliche Zeit war, und ich dann auch lange keinen Kontakt mehr mit ihm haben wollte. Das entspannte sich irgendwann, To Rococo Rot begannen ein eigenes Profil zu entwickeln, wir verfolgten unterschiedlichen Ideen und Konzepte, wir spielten ein paar Mal zusammen, und es machte Spaß, To Rococo Rot Konzerte zu besuchen. Hmm... wie gesagt, es ist ja nicht so, als würde es nicht weitergehen, aber ein bisschen ist es dann leider doch so. To Rococo Rot To Rococo Rot, born from Kreidler, and now departed. That sounds pretty sad. But than isn't meant to say that things couldn't just continue, at least in the way they had also been before, parallel, for instance: Ronald with Tarwater, Stefan with Mapstation, or Robert with Superredstructure. Born from Kreidler? In 1995 we were in Berlin to record our debut album at the Milchhof, which would later be entitled "Weekend". At the mixing desk was Bernd Jestram — the other half of Tarwater. It was Prenzlauer Berg, which was "the place to be" at the time, and had nothing to do with how it is today. It was winter and bitterly cold. Everything smelled of coal, which at the time was an integral aspect of Berlin, where today only the discourteousness remains. It was the middle of the 1990s and there were ruins everywhere. There were "free spaces" and clubs and bars that only a week later had moved somewhere else or vanished entirely or suddenly returned. It was exhausting. It was exciting. After something less than two weeks I was quite ready to get back to the Rhineland. On one of those evenings at the Milchhof, we decided we should hold some kind of session together. A few audience members were scattered around the icy room. I don't quite remember what was meant by "we". At the time there was still Ornament und Verbrechen, the great Prenzlauer Berg band, an equivalent to the Leipzig group AG Geige. Ultimately, it was Robert Lippok and Detlef Kreidler and Andreas Kreidler who played together. Of course, we played some kind of electronic dabbling. I have no recollection as to whether we were synchronized or not. There is no recording of this historic meeting, but I think — as is so often the case — that's probably for the better. Anyway, somehow it was almost the birth of To Rococo Rot. So Detlef and I were rather surprised when a few months later, the Lippok brothers had suddenly invited Stefan to make a record that should accompany their exhibition in lieu of a catalog, or rather, as a kind of conclusion. And that one — off project resulted in a band that lasted 18 years.
For about two years Stefan played with Kreidler and To Rococo Rot in parallel. It was an unbearable time, and eventually I decided I wanted no further contact with him. That relaxed at some point. To Rococo Rot began to establish their own profile and we each pursued different ideas and concepts. We played together a few times, and it was enjoyable seeing To Rococo Rot concerts. Hmm... As I said, it's not as if things couldn't simply just go on like before. But then again, unfortunately, that seems to be the way it is. Andreas Reihse, KREIDLER (Translation by Alex Paulick) (Dezember 2014)
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Rüdiger Esch bemüht sich um Authentizität: er sei Düsseldorfer, Bassist der Krupps und er habe in Klaus Dingers NEU! | la Düsseldorf Nachfolgeprojekt gespielt (das Buch ist ihm gewidmet; seltsamerweise schreibt er Neu!, gemischt und ohne den Unterstrich) — in Dingers realisiertem NEU! | la Düsseldorf Nachfolgeprojekt Die Engel des Herrn spielte er aber nicht und bei den Krupps erst seit diese eine brässige Metalband sind — er war zu jung um Dabeigewesenzusein in der interessanteren Postpunk—Phase von Jürgen Englers Band; ein Ex — Kraftwerk schreibt die Einleitung — derjenige aus dem 'klassischen' Kraftwerk—Lineup, der keine Autorencredits hatte; und im Anhang ist eine Enzyklopädie der Interviewpartner und der erwähnten Synthesizer (!). Die literarische Form heisst Oral History, also ein auktoriales Sichzurücknehmen, Zeitzeugen zu Wort kommen lassen. Diese Art von Multilog kennen wir von Jürgen Teipel (Verschwende Deine Jugend — Auszüge aus jenem Buch auch hier) und von Max Dax, z.B. über die Einstürzenden Neubauten oder Scooter; was da Sinn macht, weil sich in einer Monographie das Durcheinandergequasel in Grenzen hält. Im Vorwort wird Wolfgang Flür (derjenige) nicht müde, in Bezug zu Kraftwerk von einem Wir zu sprechen, wo er doch in seiner Autobiografie schon erkannt hatte, dass er nur ein Roboter für Hütter/Schneider war. Weiter im Buch muß man alten Krautrockmännern zuhören, wie sie Abwesende niedermachen (z.B. alle gegen Kraftwerk, oder Eberhard Kranemann gegen Dinger), wie sie sich in Ahnungen ergehen, wie etwas vielleicht gewesen sei (z.B. Kranemann zu Kraftwerk Interna), oder versuchen, Behauptungen als wahr zu setzen (z.B. Rother, der mal wieder verdrängt, dass Konzept, Name, Artwork von NEU!, die 7" oder auch die Remix—Seite von NEU!2 Dingers Ideen waren; anstatt endlich mal stolz auf sein Gitarrenspiel zu sein, ohne welches es NEU! nie gegeben hätte; oder dass der Mute—NEU! Deal daran scheiterte, dass Daniel Miller wenig zu bieten hatte, was Klaus Dinger interessiert hätte, worauf er nach einem Vorschuß in Höhe einer Million gefragt hatte). Uninteressant bis ärgerlich. Die Postpunk—Kapitel sind entspannter, vorallem sprechen die Protagonisten hier offen über Neid, Missgunst, Höhenflüge und Abstürze und betrachten sich rückwirkend oft selbstironisch (ganz toll Peter Hein). An vielen Stellen ergeht sich das Buch in Anekdoten und Plaudereien (z.B. wo jetzt genau das Creamcheese war), aber nicht unangenehm. An manchen Stellen widerlegt Esch durch seine Montage die Sprechstimmen; etwas unlauter ist, wie er ein altes Interview von Dinger auseinandernimmt und dann zwischen andere Dialogfetzen schneidet. Wer Dinger kannte, weiss, dass Esch dafür Post vom Anwalt bekommen hätte. Frauen kommen wenn dann nur als Wasserträgerinnen zu Wort. Und natürlich hören wir weder Ralf noch Florian. Erkenntnisgewinn? Die Verstorbenenliste im Anhang wird nicht kürzer. Man könnte Electri_City als leicht wehmütige Herbstnovelle lesen. Ansonsten wünsche ich mir, dass diese Art von Buch jetzt bitte mal passé ist. (November 2014 für Groove)
... top. Benelux
Im Frühjahr 2000 treten Detlef Weinrich und ich als Binford im NICC in Antwerpen auf. Luc Tuymans hatte die Künstlergruppe hobbypopMUSEUM eingeladen, über mehrere Wochen die Ausstellungsräume zu bespielen. Weder Detlef noch ich zählten zum harten Kern von hobbypopMUSEUM, hatten beide aber bei diversen Projekten mitgearbeitet; und Thea Djordjadze meinte einmal, wer bei einer Arbeit dabei sei, werde damit Teil von hobbypopMUSEUM. Das finde ich eine sehr schöne Idee für Künstlergruppen, aber dann auch für Europa. Antwerpen war immer beispielhaft. 1999 spielten wir mit Kreidler im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten zur Eröffnung der Van Dyck Retrospektive — weil ein Versicherungsvertreter mit Decibelmeter anwesend war ohne P.A. vor einem Publikum mit Funkkopfhörern; ausser Musikprogrammen wurde die Ausstellung auch flankiert von speziellen Editionen der Antwerpener Modemacher; Ann Demeulemeester zeigte ein unglaubliches Kleid; wir deckten uns mit groben, mit barocken Mustern bedruckten T—Shirts ein. Die beste aller Modeschulen war ein weiterer Grund, die Stadt zu lieben. Wir wurden regelmässig nach Belgien eingeladen. Brüssel war unsere Lieblingsstadt; Paris ohne alles, was an Paris nervt; natürlich auch die Idee von Europa, die es für uns verkörperte, das seltsam Zerrissene — schickste Passagen, Trompe—l'œil, solitäre Hochhäuser und verlassene Industriebrachen — , die drei Amtssprachen — und fliessend englisch sprach sowieso jeder; oder mit der Tram durch die putzige Reihenhaussiedlung zu wackeln und dahinter erhebt sich strahlend das Atomium: die Idee einer wissenschaftsbasierten Zukunft frei von Kirchen und Börsen. Und natürlich Les Disques Du Crépuscule, das schönste Plattenlabel, das es je gab. Weiter nördlich sah die Welt etwas anderes aus. Bands wie Trespassers W oder The Ex kamen zwar — wie die Crépuscule Künstler — aus dem Postpunk, ihre Ästhetik speiste sich aber aus dem DIY, aus eher anarchistisch—linken Ideen denn aus dem Salon: wo Belgien neben Frankreich (Breton, Benjamin etc.) lag, da mußte man die Niederlande zwischen England (Crass etc.) und Deutschland (Ton Steine Scherben etc.) verorten. Anfang der 1990er intensivierte sich die Zusammenarbeit unserer Band Deux Baleines Blanches mit Cor Gout, Musiker, Autor, Radiomacher, Aktivist aus Den Haag, und federführend eben hinter Trespassers W; was 1993 im Projekt Punt.(punkt.) kulminierte, einer Serie von Konzerten, Lesungen und einem Magazin gegen den aufflammenden Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus in beiden Ländern. Dass sich Rheinländer und Niederländer nicht mögen würden, ist ein Mythos. Man ist sich doch sehr ähnlich, Städterivalitäten nimmt man sportlich. Gerade für die Düsseldorfer ist die holländische Küste ein beliebter Hang—out. Wenn man in der Landeshauptstadt auf die Autobahn auffährt, kommt man in einer relativ geraden Linie zügig ans Meer. Ich kenne diese Strecke auswendig; in den 1990ern, der Zeit meiner Kooperation mit Klaus Dinger, arbeiteten wir regelmässig in seinem Studio auf Zeeland. Klaus hatte einen Bauernhof umgebaut und ordentlich Ärger mit seinen Anrainern, weil er auf seinem Ackerland dem Wildwuchs freien Lauf ließ (was die Intensivbewirtschaftung der Nachbargrundstücke störte) und dort ausserdem einen alten Mercedes Benz geparkt hatte, der ihm vor Gericht dann als Kunstwerk bestätigt wurde (was Unbekannte dennoch nicht davon abhielt, ihn eines Nachts abzufackeln). Auch sonst war Klaus durchaus vorbildlich. Coffeeshop—Einkäufe ließ er sich quittieren, um sie als Musikerbewirtung abzusetzen (und dass das kein Steuerbetrug war, kann ich bezeugen). Zurück im Frühjahr 2000: heim nach Düsseldorf nimmt uns Florian Schneider mit, Erfinder von Kraftwerk; er hatte hobbypopMUSEUM in Antwerpen besucht. In seinem Kleinwagen gleiten wir über die Grenze: »Europa Endlos« — noch eine meiner Lieblingsideen. (März 2014 für frieze d/e) ... top. Seo Gotfori
Ein Nebel, der langsam aufsteigt. Wenn man sich ganz flach auf den Boden legt, wird ein schlierendes Sehen möglich, wenn man von durchschnittlicher Größe ist. Seo Gotfori schritt einfach durch. Er/Sie machte sich nichts aus Feuchtigkeit, aus Trockenheit, aus Aufsteigendem oder Niederschlagendem. Er/Sie. Schaute sich um. Ein kalter Wintergarten. Leergeräumt. Starre Skulpturen. Die atmen, die das umgebende Licht brauchen, das innen Aussensein. Die Ideen sind, oder doch mehr als Ideen, über die Idee und das Andeuten hinaus, aber vielleicht oder besser: genauer doch Inneharren in einem vorfertigen Zustand aus Geröll und Geschiebe. Er/Sie kann das Lesen. Aufnehmen. Aber verstehen? Etwas fehlt. Der Kalte Wintergarten ist Versuchsanstalt, ist Bewegungsraum. Seo Gotfori ist es auch ein Geschütztes, und ein gläserner Energiebunker. Ein Vorzukünftiger Raum, ein Raum auf den die Zukunft zurückgeblickt haben wird. Abgeschlossene Zukunft. Kein Entrinnen. Die Welt von Ihm/Ihr. Seo Gotfori kennt die Techniken. Er/Sie versucht, etwas zu verstehen. Er/Sie fasst auf den Boden, da, wo es licht ist, berührt Sand und Staub, Er/Sie kennt das Gefühl, Verklumpen und Rieseln. Haptik, Antihaptik. Liest: sie sitzt auf dem linken stuhl. vor ihr — der tisch, leer. sie steht auf, geht zum paravent um die ecke, schiebt ihn beiseite. sie schaltet den herd aus, sie wendet den blick, sie liest körperhaltung, gestik, hände, den mund beim sprechen, vor allem aber die augen. auf einer serviette bildet sich der mehr oder weniger geschlossene abdruck eines kreises. sie verbindet das ihr zugewandte innere, die zukunft, mit dem ihr abgewandten, der vergangenheit. Langsam hebt sie den Blick, blickt aus dem Staub, hinaus, beobachtet den Besucher. Beobachtet Ihn/Sie, ohne überraschung, gelassen, als hätte sie Ihn/Sie erwartet. Seo Gotfori spürt einen Schmerz, reisst die Hand weg. Skulpturmaschinen. Mit lange vergessener Funktion, die Pläne sind verloren, vernichtet, verschüttet, Maschinen, die sich längst selbst generieren, und die uns als Block, als Klotz umgeben oder sich als Raum im Raum öffnen, als Architektur, als Behältnis, als Korb, vielleicht für den Transport, denen wir in einer lamarckistischen Geste begegnen, keine negative Utopie, keine Geheimwissenschaft, eher ein freudiges Umarmen, ein Ergänzen, ein Hineinbegeben, so dass wir zu einer Krücke, einer Prothese für die Maschine werden. So dass wir dem Klotz wieder etwas zurückgeben können, was auch er vergessen hat, und aus dem wir selbst auch wieder schöpfen können. »Yes, Sir.« Seo Gotfori hatte auf Seine/Ihre Uhr geblickt. Eine dieser neuen Uhren, ohne Anzeige, ohne Sichtfenster, nur eine schwarze resonierende Fläche, eine Educational. Mit Stimmerkennung. Die allerdings nur reagiert, wenn sie mit der exakten Uhrzeit angesprochen wird: »Yes, Sir.« Immerhin erwartete sie eine Präzision nur bis in den Sekundenbereich. Der Nebel war einer beinahe gleißenden Helligkeit gewichen, die Sonne brach sich durch eine komplizierte — komplex, dachte Seo Gotfori — Metalkonstruktion, reflektierte, wurde geschluckt spielte mit Licht und Dunkelheit, und Er/Sie hatte die Zeit anhand eines Schattens gemessen, 13:17 — »Yes, Sir.« — präzise. Er/Sie erinnerte, wie plötzlich alles anders geworden war in Seinem/Ihren Leben. Pünktlichkeit war plötzlich alles. Er/Sie sollte etwas herausfinden. Als wäre es nicht weiterhin ein gewöhnlicher Job. Vom Abgeschlossenen zurückgeschickt ins im Abgeschlossenen bereits Abgeschlossen gewesene. Ein Teil eines Teils eines größeren Teils. Mithin auch ein Teil von Ihm/Ihr, und wiederum Er/Sie ein Teil des Ganzen. Pünktlichkeit, dachte Er/Sie, wo es doch um Verlässlichkeit gehen sollte. Und, nicht, dass es keine andere Kontrollsystemik gab: Chipsimplantate, Banduhren, Kommunikatoren, Public CV, Kreditstrahler, Paybackkarten, Energiekarten, Abckarten und so weiter, das ganze Groupware—Programm eben. Also, nicht, dass nicht sowieso jeder Schritt dokumentiert wurde, durch perfektionierte Software mit minimalstem Aufwand verarbeitet und archiviert. Zwei Tropfen Wasser groß war Sein/Ihr file — nicht einmal 124k in der alten Rechenweise — inklusive Stand — , Bewegbildern und eines Nachrufes, der stündlich aktualisiert wurde. Pünktlichkeit spielte keine Rolle für Ihn/Sie. Seine/Ihre Zuverlässigkeit lag bei Einhundertprozent. Aber, weshalb Pünktlichsein? — auch, auch wenn Seo Gotfori wußte, wenn Seo Gotfori sich darauf einlassen würde oder nur könnte, es einfach zu einer Charaktereigenschaft machen würde, ohne darüber Nachzudenken (..) der Arzt sagte, Er/Sie habe Schwierigkeiten und verschrieb Ihm/Ihr die Educational. Seo Gotfori fasst erneut auf den Boden, berührt etwas Weiches, Hartes, etwas Warmes. »Teppich« liest Er/Sie. Turban Herbert: »ich bin neulich die dasselstrasse entlang. und da gibt es zwei stellen, die ich thea zeigen wollte/will, weil ich die total gerne mag: einmal eine fassade, die so ein bissschen marcel broodthears / rene magritte ist. und vor einem haus unter einem baum durchgehen, wo ich, wenn die sonne scheint, für eine sekunde erschöpft bin und durst und leichte kopfschmerzen kriege, wirklich nur eine sekunde, aber die zeit dehnt sich, und mich fühle wie in spanien nachmittags, siesta, in einer steinernen stadt, an einem heissen sommertag. das für deinen stadtplan, gkodzni.« Kein Schmerz. halblinks eine grüne pflanze vor einem paravent aus unbehandelter bräunlich grauer wellpappe. rechts — damit korrespondierend — die gleiche pflanze, nur größer, und ein dreidimensionales rechtwinkeliges objekt aus demselben karton. boden, dach, drei seiten — zusammengetackert. circa zweieinhalb meter hoch, vier breit, zwei tief. eine offene seite zur fensterfront hin ausgerichtet. man muß sich etwas bücken, um unter den blättern der pflanze vor den installierten raum im raum zu treten. im kartongebilde hinten in den ecken zwei schrägen, die linke — ein offenes kaminfeuer andeutend, die rechte — eine türe. mittig an der rückwand hängt das portrait eines älteren mannes. immer wieder treten betrachter in den raum, umgehen den installierten raum, senken dann meist die lautstärke ihrer unterhaltung zu einem höflichen flüstern oder schweigen und treten leise wieder hinaus. trotzdem sind das kleine unterbrechungen. irritationen, nadelstiche. Er/Sie reisst die Hand weg. Es sind Worte, die kein Bild ergeben, aber schmerzen. Seo Gotfori blickt auf; Sein/Ihr Kopf stösst gegen Metall. Ein Arrangement von Stäben, die Ihm/Ihr jetzt wie eine lächerliche Illustration einer Lorentztransformation scheint. Sein/Ihr Kopf verletzt sich. Stolpert. Eine der beiden Flügeltüren ist verschlossen. Die andere steht offen, ist aber mit zwei schwarzen Stoffbahnen verhangen, in die jeweils vier kleine öffnungen geschnitten sind. Die Anmutung zweier Fenster. Der Stoff hängt locker, wirft Falten. Links und rechts neben der Tür stehen zwei Rhomben, ebenfalls in schwarzen Stoff gekleidet. Vogelgezwitscher. Menschen sammelt sich davor, manche blicken durch die Tür, in einen schwarz abgehängten Raum hinein; aber hier kein Stoff, sondern Lackfolie. In der linken hinteren Ecke ein Spiegel, davor ein einfacher Stuhl, ein mit Wasser gefüllter Plastikeimer, ein Tuch. Plötzlich laute, schwere Streicherklänge, ein Thema wiederholt sich. Alle Anwesenden dringen in den Raum. Die Musik ist laut, auch die Vogelstimmen, absurd in ihrer Lautstärke, beinahe obszön. Im Fallen. Seo Gotfori versucht, Seinen/Ihren geschützten Zirkel aufrechtzuerhalten, um sich herum und um die andere Person. Die andere Person. Etwas familiär Vertrautes. Ein Erinnern, aber an was. Ein Gefühl der Sicherheit in diesem schwarzen Kunstraum. Etwas ist hier nicht mehr richtig. Seo Gotfori hat etwas verloren. Er/Sie fasst sich an die schmerzende Stelle. Er/Sie weiss nicht wohin. Fällt weiter. Jemand steht auf — wie aus Trance erwachend. Jemand geht mit einem Schild durch die Betrachter. Eine andere Person setzt sich. Seo Gotfori schaut genauer. Das Thema heisst, liest Er/Sie. Prozess als Kommunikation, liest Er/Sie. Und das Entstehen von Schönheit, liest Er/Sie. Beobachten, beobachtet werden, sich Ausliefern, liest Er/Sie. Und das Gefühl, Teil von etwas zu sein, was Er/Sie nicht näher zu benennen vermag. Vielleicht, Arbeit zu werden. Seo Gotfori wird von etwas durchspült. Er/Sie kann nicht behaupten, dass es unangenehm ist. Zum Mitnachhausenehmen. Zurückgeworfen, zurück geworfen werden auf Eigenzeit, in die eigene Zeit. Immerhin. Metallischer Staub an den Schuhen. Schmeckt salzig. (Nancy Paris, Februar 2014) ... top. Automaten
Automat «Plus Minus»
Automat, was ist Automat? Automat, ist ein Groove von einer gewissen Willenlosigkeit. Einer fängt an, zweie gehen mit. Stoisch. Da gibt es kein Ausweichen. Der Mann an der Bandmaschine drückt irgendwann Stop. Erneut setzt einer an. Und zweie gehen mit. Kein Halten. Bis die Albumlänge erreicht ist. Automat sind Jochen Arbeit, Achim Färber, Georg Zeitblom. Und «Plus Minus» ist ihr zweites Album. Der Erstling (BB161), vor ziemlich genau einem Jahr erschienen, hatte sich um die Berliner Flughäfen gekümmert: «da geht es schon weiter, nur jetzt von innen», sagt Arbeit; denn schliesslich wurde die LP mit Ingo Krauss aufgenommen und gemischt im Candy Bomber Studio. Das trägt den Namen nicht von ungefähr, liegt es doch im Bürotrakt von Tempelhof, dem ankommenden Ende der Luftbrücke, über die die amerikanische Luftwaffe während der Berlin Blockade 1948 — 49 den Westteil der Stadt mit Süssigkeiten versorgte. Rosinenbomber sagten wir. Die Songtitel beschreiben lose das Geräte — Arsenal, das dort rum steht. Das mag an frühe Abstract—Electronica—Zeiten erinnern, als man schnell in seinen Akai — Sampler eine Buchstabenfolge reindrehte, um die Tracks zu speichern, zu unterscheiden, und das dann als Titel gelten ließ. Aber Automat, wie der Name schon suggeriert, spricht analog, oder zumindest von Outboard—Equipment. Roland Space Echo, Eventide, DMX und so weiter. Nicht, dass man ein einzelnes Effektgerät konkret einem Stück zuordnen sollte, sie erzählen eher von einer Gesamtstimmung, und die ist hier geschmeidiger, ein England Mitte der 1990er weiterdenkend anstelle von Postpunk, wie noch bei der ersten Platte. Drei Ausnahmen in der Benennung: in dem treibenden Elektronikrocker «Plus Minus» liest Blake Worrell Geräteanzeigen im Studio ab; eine Kurzwellenstimme warnt «Achtung» und spricht Geheimdienst — Zahlencodes auf einem mächtigen Reggae — Groove mit einer an Bristol—mahnenden Schwerrnis; und, selbe Stadt, etwas mehr Downtempo, etwas mehr Echo: «Mono». Mono!? Zeitblom: «wir hätten die Platte gerne in mono gemischt, aber bei unserer Art von Musik hat das einfach nicht funktioniert». «Wie ich mit der Gitarre arbeite, die ganzen Delays, das verlangt dann doch stereo», ergänzt Arbeit. Dennoch ist das Raumspektrum schon relativ eng, mono als Haltung ist spürbar, im Wollen einer gewissen Kompaktheit und Vehemenz im Ausdruck. Keine Plug—ins, kein Editieren am Rechner, Sparsamsein mit den Overdubs — nicht aus Technikfeindlichkeit, sondern als bewusste Beschränkung, kein Verzetteln: «Wir haben das Album in 10 Tagen produziert.» Sich—im—Studio—Treffen und Drauflosmachen, First—take—Songwriting — schliesslich ist die Post—Proberaum—Ära auch für Bands eingetroffen. Sie harmonieren, wissen um die Verlässlichkeit des anderen. Auf die straighten Drumbeats setzt Zeitblom seine rollenden Basslines und Arbeit schichtet Gitarren darüber, mal shuffelnd, mal verzückt schwebend. Und, wie gesagt, willenlos: «Wir hätten ewig so weiter machen können», sagt Arbeit. Und Zeitblom: «Machen wir im Herbst wieder». (2016, for Bureau B) Automat und Max Loderbauer — Selekt 1 Hey, Selekter! Ein dumpfes Hämmern. Wird Rhythmus. Eine teppichlose Snare mischt sich ein, Geklicker, Geklacker, Geplapper, rast von links nach rechts um den Kopf, hintenraus, vorne wieder rein, ein Beat, ein Beat treibt voran, treibt voran, Dschungel, Tunnel, treibt voran, treibt voran, Tempelhof, den Gang hinunter, Anklopfen, Anklopfen, Türe auf, alle rein. Türe zu. Auf eine Zigarette. Menthol. Liegt in der Luft. Schraubt die Feder ans Blech. Sakral. Dengelt. Dengelt. Der Klang wird schmutzig. Bricht ab. Atmen. Auf eine Zigarette. Menthol. Feedback steht im Raum und weiter gehts. Souverän legen Automat und Max Loderbauer mit «Verstärker»/«Hall»/«Kompressor»/«Echo» zum Start von Selekt eine 4 Track EP vor. Selekt — worum geht es? Selekt ist das brandneue 12" Sublabel von Bureau B, «Künstler — Kollaborationen, neue Künstler, Remixe... mal sehen wo die Reise so hinführt», sagt Labelchef Gunther Buskies. Selekt 1 also, Automat, nach ihrem ersten Album (BB161, 2014), beschäftigt mit Aufnahmen zu ihrem zweiten, kommenden Album, trafen ihren Studionachbarn Max Loderbauer (Ricardo Villalobos, Moritz Von Oswald Trio, Sun Electric etc.), verstanden sich auf Anhieb, und machten sich an die Arbeit: «live gespielt, keine Overdubs», sagt Bassist Zeitblom — first take, no shake. Das Studio auf das Elementarste runtergerechnet. Aber, von wegen Rechner: Bandmaschine, Gitarrenverstärker, analoge EQs, Proberaum: «Re — rewind, the crowd says Bo Selekter!» (2015, for Bureau B) Automat — Automat Vier Piloten. Ein Rezept. Eine Bauanleitung. Maschine. Apparat. Automat. Im April 2014 erscheint auf Bureau b das Debutalbum von Arbeit, Färber, Wilsdorf Zeitblom, die seit Ende 2011 unter dem Namen Automat kollaborieren. A Berlin Affair. Um es einmal aufzudröseln: Jochen Arbeit, zu Weltruhm gekommener Gitarrist von Die Haut und Einstürzende Neubauten, am Pult Boris Wilsdorf, seit 15 Jahren Toningenieur letzterer, Achim Färber, gefragter Sessionschlagzeuger u. a. Project Pitchfork, Prag oder Philip Boa, schliesslich Bassist Georg Zeitblom, bekannt von Sovetskoe Foto und durch seine ausgezeichneten Hörspielarbeiten vor allem auch in Kooperation mit Autor/Verleger Michael Farin, deren gemeinsames Stück »Kyffhäuser/Unternehmen Barbarossa/Träume vom Tod!« wiederum Automat 2012 für die Berliner Volksbühne musikalisch aufbereiteten. Automat, ein steter Groooove. Ein Album, wie man sich das Fliegen vorstellt, wenn man noch nie geflogen ist: ein gleichmässiges Gleiten vom Verlassen der Wohnung bis zum Erreichen des Zielorts. Keine Wartezeiten, kein Anstehen, keine Luftlöcher; ein geschmeidiges Einchecken, fliessende Kontrollen, ein ruckelfreies Anbordgehen, Platznehmen und Abheben. Automat erzählt von Berlin, einer Stadt mit einst vier Flughäfen. Tempelhof macht den Beginn, verhallte Cowbells, eine drängende Basssequenz, ein zerhacktes Mäandern, ein böses Nachahnen, das weiß, wann THF seine Hochzeit hatte; Schönefeld, da flangern die Gitarren und dengeln die Delays, Gatow swingt zur E — bow, und Tegel, keine Frage, Tegel groovt am elegantesten, das haben wir auch nicht anders erwartet.
Drei Narrationen Automat ist natürlich die Summe der einzelnen Teile, und alle haben sie im Postpunk gelernt und gelehrt. Man möge sich an die Zeit Mitte der 1980er erinnern, als in Großbritannien Industrial—geschulte Künstler die Tanzmusik entdeckten. Automat dockt daran an — in leeren Hangaren treffen sägende, schwingende Gitarren und aus dem Dub —Reggae kommende Bassläufe auf harsche, langsame Breakbeat—Rhythmen, umspielt von klickerndklackernden Percussioninstrumenten aus den aufregendsten entlegensten Orten der Welt — und überführt den Tanz in unsere Jetztzeit. (Dezember 2013, for Bureau B) ... top.
Weisser Westen Walzer
(Dezember 2012, for Apparent Extent) ... top.
"MARIA UND MARIA" HELLWIG Beim vorletzten Familienurlaub — mit Eltern und Bruder und Grosseltern — war ich wohl zwölf und habe mir vom knappen Taschengeld die Led Zeppelin IV gekauft — vermutlich in Bad Reichenhall. In diesem Jahr sollte viel passieren.
Beim letzten Familienurlaub dann — mit Eltern und Bruder — war ich dreizehn und wieder Bayern, und eigentlich wollte ich nicht mehr mit. Hatte aber irgendwo vom Zündfunk gehört und mich darauf gefreut und wurde dann auch nicht enttäuscht. Bisher schien das einzige Licht im Todesstreifen UKW aus der Schweiz: "DRS 2 Sounds" und "Colour Trois" — die Freiburger hatten noch den Piratensender "Dreieckland", der strahlte aber nicht bis in mein Dorf. Jetzt hörte ich zum ersten mal ein Radioprogramm aus Deutschland, das Spass und Sinn machte. Sehr toll. "MÜNCHEN GRÜSST DÜSSELDORF, SO NAH UND DOCH SO FERN" Mitte der 1990er aus Düsseldorf. Mit Kreidler nach München und wir waren eingeladen ins BR-Studio zum Zündfunk, und das freute mich sehrsehr und war natürlich auch ganz toll, und ein paar FSKler waren auch dabei. Und das letzte "Jedenfalls": In Bayern gibt es genau drei Errungenschaften, die die Welt und die Menschheit weiter bringen (können): nicht Fußball, Berg und Käse, sondern Fraunhofer Institut, Max-Planck-Institut und Zündfunk. Schönheit und Schönheit und Schönheit. Und das sollte auch so bleiben. (2012, Text für Zündfunk) ... top.
Liebe Kiara.
Es ist Freitag Nachmittag, ich sitze im Zug von Hamburg nach Berlin, und werde dort mit zweistündiger Verspätung ankommen. Mein Intercity wird umgeleitet. Draußen ist es Weiss Weiss Weiss. Schnee fällt. Ein Weisser Freitag. Ein helles Gewand legt sich um die Bäume, bedeckt die Landschaft und versteckt alles, was ist und war. Es scheint so friedlich. Vermeintlich Wichtiges wird unwichtig. Erinnerungen verblassen. Liebe Kiara, ich hatte Dir ja versprochen, endlich Deinen Brief zu beantworten. Dir von meinem Weissen Sonntag zu berichten. Leider kann ich mich aber kaum erinnern. Mein Gedächtnis ist leer, weiss, friedlich. Es gibt Stützen, wie zum Beispiel Fotografien, die mein Vater gemacht hat. Schwarzweiss, vermutlich sogar selbst entwickelt. Dann sehe ich wieder, wie Wolfgang und ich aussahen, unsere Anzüge, meine Brille, wie ordentlich unsere Haare gescheitelt waren, die silberne Folie die Uwe hinter uns aufgespannt hatte, und natürlich die Weissen Kerzen.
Und dann gibt es Dinge, die man einfach weiss, weil sie immer so gemacht wurden, heute sicher auch noch gemacht werden. Ich weiss, dass wir die Erste Heilige Kommunion vorbereitenden Unterricht hatten, sicher in der Kirche, vielleicht auch in der Schule. Zuguterletzt gibt es noch ein falsches Erinnern, ein scheinbares, an bestimmte Begebenheiten, weil später darüber gesprochen wurde. Und auch über Dinge, Gegenstände, die sich mit der Zeit aufgeladen hatten, die für mich an Wichtigkeit gewonnen haben. So bekam ich zum Weissen Sonntag ein Radiorekorder geschenkt und ein kleines Paket mit sechs orange—farbenen Leerkassetten von BASF, wovon ich in den kommenden Wochen fünf mit Aufnahmen aus dem Radio, von SWF3, bespielt hatte. »Swing, Dixi, Baet« schrieb ich auf eine, da waren dann Glenn Miller und die Beatles darauf. Die Kassettenhüllen habe ich mit Song—Titeln und Bandnamen beschriftet, und zwar so, wie ich sie gehört hatte, in eigener Orthographie — ich war 9 Jahre alt und konnte noch kein Englisch — vielleicht heisst das Onomatopoesie. Der Radiorekorder hatte ein kleines eingebautes Mikrofon, auf die erste Kassette hatte ich heimlich die Kommunionsfeier aufgenommen. Leider habe ich sie nicht mehr. Ich erinnere mich an Geschirrgeklapper, und an viel Alemannisch, natürlich. Und mein Patenonkel Herbert hatte, ich glaube, mit der kleinen Tochter meiner Patentante Helma, in Babysprache gesprochen, das jedenfalls war Onomatopoesie, und meine Mutter fand das sehr albern; man könne auch mit Kindern wie mit Erwachsenen sprechen. Das fand ich dann auch. Es küsst Dich, Dein atheistischer Patenonkel (Dezember 2011, for Kiara) ... top.
urge. Overdrive
Copy and paste copy and paste copy and paste, I am actually, actually I am not not interested in power. In obtaining power in keeping power in playing power games. I have a certain interest in power, yes, but in deconstructing it in making it visible and vincible. I of course have developed a certain kind of power. I built a system which only exists because of the power system and I am busy destroying the power system. In that way of course I am destroying my own system, too. In the end making me myself and I liquid, in—exist, ceeeaseee to exist, my future.
Today, speaking today, speaking of today, I am a guest in the house of power, and power flows through me and I am pretty sure that this power will make me sick, it has already, has already harmed my health that's what the doctors ordered and it will ruin my health until the ultimate. Parasite murders. That's not fate, that's not destiny, I could have gone in other directions but that's what I have chosen, that's how I wanted to live my life. There are no road signs, but with every step you build a way. I am very curious, and curiosity killed the cat, I want to know, I don't believe in conspiracies, copy cats, alley cats, backdoor sneakers, unfortunately I am not paranoid, not at all, I have this belt around my leg, bible belt, seeing is believing, I feel an urge. Overdrive. I do not worry,
I like lists,
I like whispers,
I have no secrets. I am open book. Open energy. Open ware. You want my code. Here you go. I am fine with that. But I want your code, too. Transparent. I don't really care what you do with my code. What they do. What can they do, what I can't what I haven't done. Before. But, you know, I like the archives, I like people, I like the poor and the dumb. I like the human. For some stupid sentimental reason. I care. Don't ask me why. I am not doing this for me. I had no bad childhood. I know you don't care. How should you. But only because you don't know better. You. At the station. Ch — Ch — Ch — Changes. Do what you do. Come on. Hit me. From above as below. You have no clue. After all don't do as I do, do as I say. Freedom is just another word for nothing left to win. And capitalism means individuality and as much luck as possible. Yes of course, you stupid. Wall, wall, sleep well. (August 2011) ... top.
MOUSE ON MARS Paeanumnion
Uraufführung September 2011, Kölner Philharmonie | Dirigent: André de Ridder, Ensemble: musikFabrik Im September 2011 erwartet Köln eine spektakuläres Bühnenereignis: Mouse on Mars werden ihr Orchesterwerk Paeanumnion aufführen. Die Philharmonie feiert 25 — jähriges Bestehen, ein guter Anlass, um bei dem mittlerweile in Berlin ansässigen Elektronik — Duo eine Komposition in Auftrag zu geben. »Mit einem Orchester zu arbeiten, war schon immer ein Traum, aber wir hatten nie jemanden gefunden, der uns dabei hilft oder der passt«, erzählt Andi Toma. Den haben sie in André de Ridder gefunden. De Ridder ist ein vor allem in Großbritannien hochgelobtes Talent, der nur selbst gesetzte Grenzen akzeptiert und mit einer eleganten Leichtigkeit zwischen der »klassischen« klassischen Musik, Neuer Musik und Pop (z.B. These New Puritans oder — 2011 Grammy nominiert — Gorillaz) hin und her springt. Toma hatte ihn im Frühjahr 2009 im Londoner Barbican Center kennengelernt, wo sie für einen Abend die Musik von Moondog inszenierten. Sie freundeten sich an, und bereits kurz danach begann die Zusammenarbeit an Paeanumnion. Der Titel des Werkes ist ein Phantasieprodukt, Humor ist ein wichtiger Bestandteil von Mouse on Mars. 1993 gründeten Jan Werner und Andi Toma das Projekt, ernsthaft aber spielerisch hantieren sie mit Begriffen, mit Klängen, nähern sich Popsongs an und zerhacken sie wieder; bis heute setzen sie international Massstäbe, ob man sie nun als Postrock / Post Elektronik, als Abstract Electronica, oder als Intelligent Dance Music kategorisiert. Dem kleinteiligen Studioalltag, wo es darum geht, ungehörte Sounds und Strukturen zu kreieren, stehen Livekonzerte mit einem hohen Anteil von Improvisation gegenüber. Für Paeanumnion erarbeiten Mouse on Mars einzelne Stücke und reichen sie dann an de Ridder weiter: »es geht um die Frage, was kann man instrumental realisieren und wie, und natürlich grundsätzlich darum, wie geht das zusammen, elektronische und akustische Instrumente. Das ist eben nicht eins zu eins umsetzbar.« Was man ja gut an den überhandnehmenden misslungenen Versuchen, Techno mit einem orchestralen Instrumentarium umzusetzen, hören kann. Dazu Jan: »Wir arbeiten teilweise schon mit Orchestersamples oder mit Musikern, beispielsweise mit dem Solistenensemble Kaleidoskop, zwei von ihnen nehmen bei uns im Studio auch auf, und dann spielen sie eben ein paar Sachen für uns ein. Aber oft ist das alles erstmal nur Sound, und Andre überlegt, wie man das vielleicht umsetzen kann. Oder wir spielen direkt aus dem Computer Notationen aus.« Und die gehen dann an einen weiteren Mitstreiter, den Komponisten Stefan Streich, ein Schüler von Helmut Lachenmann. Jan Werner hatte bereits früher mit ihm zusammen gearbeitet: »der kriegt dann so einen Stapel ausgedruckter Noten und versucht, das auseinander zu fisseln, und Andre fährt dann wieder zu ihm hin, und sie gehen das gemeinsam durch. Und so geht das hin und her, das heisst das ist alles extrem zeitaufwendig«, Jan lacht, »letztlich geht es um eine Aufführung, man sucht die Herausforderung, pure Dekadenz, der totale Wahnsinn, tausende von Euro verschwenden für 50 Minuten Kulturdekadenz vom Feinsten. Und deswegen nehmen wir das auch so ernst.« Das Stück wird in Köln mit 23 Musikern, vorallem mit dem Ensemble musikFabrik aufgeführt. Das Solistenensemble besteht seit 1990, ist basisdemokratisch organisiert, arbeitet projektbezogen mit Dirigenten zusammen und hat sich einen hervorragenden Ruf vor allem im Bereich der Neuen Musik geschaffen; musikFabrik entwickelt häufig Stücke gemeinsam mit den Komponisten, so mit Kagel oder Saunders, und gilt als federführend in der Interpretation von Karlheinz Stockhausens Spätwerk. Die Musiker sind Klangforscher, undogmatisch und interdisziplinär, arbeiten auch in Bereichen wie Film, Theater, Installation oder für Popmusik Produktionen. Wie geschaffen für Mouse on Mars. »Dirk Rothbrust, einer der Perkussionisten, hatte uns gekerbte Klanghölzer gezeigt, die er für ein Lachenmann Stück entwickelt hatte, wo er einen langen schnellen Triller brauchte; er spielt auch ein Schlagzeug ganz aus Pappe, benutzt Alufolie, man denkt, man hätte sich was ausgedacht, dabei haben die das schon längst im Repertoire. Es gibt keine Tabus, keine Grenzen und für alles eine Technik, sehr souverän«, erzählt Jan Werner. Aber es ist eben auch nicht ohne: »die Klänge, mit denen man arbeitet, kann man biegen und schneiden, die haben eine Engelsgeduld. So ein Instrumentalist im Orchester, selbst der, der nur die Triangel spielt, hat einen eigenen Charakter. Im Januar in Chicago, wo wir erste Skizzen des Stückes aufgeführt hatten, hatte jeder einzelne Musiker eine eigene Vorstellung des Stückes, das war mir zwischenzeitlich viel zu intensiv, es hat mich wahnsinnig gemacht. Ich konnte das nur kompensieren, in dem ich möglichst viel aufgenommen und dann nachts im Hotelzimmer weitergearbeitet habe, was dazu geführt hat, dass ich am nächsten morgen noch viel wahnsinniger war, mit drei Stunden Schlaf und Jetlag.« Das Konzert in Chicago kam zufällig zu diesem Zeitpunkt zustande, eine Einladung an das Duo zu einem Workshop mit der Chicago Symphony. Was zu einem willkommenen Testballon wurde für die Kölner Aufführung. Mouse on Mars und André de Ridder überraschten das Orchester mit Bergen von Material, an dem sie eben schon arbeiteten. Konkret ausformulierten Vorstellungen standen zuwenig Probezeit gegenüber und der in Amerika übliche Gewerkschaftsvertreter, der streng auf den Dienst nach Plan achtete. André de Ridder: »Wir schlafen da mal drüber und hören es uns morgen früh nochmals an — dafür war keine Zeit.« Für die Aufführung in der Philharmonie aber werden sie im Mai nach Köln fahren: »Das ist auch ein Luxus, dass wir konkret ausnotierte Teile mit Elektronik einüben können, aufnehmen können, die dann Andi und Jan wieder weiter verarbeiten können.« Erst in den letzten Wochen klärt sich das Bild für Mouse on Mars, und aus vielen einzelnen Ideen und Ansätzen entsteht eine Gesamtform: »aber das war die Herausforderung, mit unserem Mikro—Verständnis oder diesem extrem nahen Verhältnis zu den Klängen, so weit zu gehen, zu sagen, jeder Klang wird repräsentiert von einem Instrumentalisten, der den aufführen muss, und Du musst die Idee so aufsprengen, dass sie immer noch funktioniert.« Bei Paeanumnion geht es um Klang. Oder wie Jan Werner sagt, um die Herausarbeitung eines Stückes aus einem Monolithen von Möglichkeit, der das ganze Klangspektrum darstellt. Und dabei stellt sich auch André de Ridder eine Frage: »Tatsächlich ist es schon so, dass ein Klassikpublikum sich nicht hinsetzten kann und ein Stück einfach mal anhören und dann prozessieren. Tatsächlich wollen die das vorher im Programm lesen, eine Symphonie in vier Sätzen, und dann kann man auch spielen, was man will, dann ist das okay«. Und Jan Werner ergänzt: »In der klassischen Welt ordnet sich jeder Komponist immer einer Idee unter, die der Kompositionsarbeit vorausgeht. Das ist ja keine Autorenkunst, also Beethoven hat ja immer ein Thema, und diesem Thema verschreibt er sich und holt heraus, was er kann, erzählt eine Geschichte, vielleicht kontrovers oder schockierend. Wir aber kommen aus einer Zeit, in der der Künstler erstmal die Blaupause an sich ist, und was er sich ausdenkt, das versucht man erstmal zu verstehen und entdeckt dann vielleicht eine Referenz oder einen Einfluss, aber sucht nicht umbedingt ein Thema. Wir werden auch damit konfrontiert sein, zu sagen, was ist denn die Form, was ist denn der Titel des Stückes, was erzählt ihr denn da. Und: im Club sind die Leute für dich da. Der Konzertsaal aber gehört dem Publikum, und du musst ihnen erklären, warum du jetzt auch mal mitreden willst.« (April 2011, for Mouse on Mars) ... top.
auf Syd
Lieber Werner
Pink Floyd habe ich ja keine Ahnung, bis auf die Ahnung einer Abneigung.
Montag im Sixpack hatte Ralf eine mir unbekannte TV Personalities 'I know where
Syd Barrett lives' Version gespielt mit rockenendem Basslauf (rockend wie in
'Peter Hook'). Wow. Meine erste Düsseldorfer Band jedoch, wo bei unserem zweiten Konzert (in der Uniklinik) doch tatsächlich Xao S. und Janey Jones im Publikum gesichtet wurden, namens: Smuel Goldberg macht Überstunden mit Josele und noch einen spielte Interstellar Overdrive — nach der Coverversion von Camper Van Beethoven, aber jetzt gerade glaube ich, dass ich damals dachte, das Original sei von den Byrds (von denen hatte ich wohl auch keine Ahnung, ausser der Ahnung, dass sie toll sind), egal, die Coverversion der Coverversion war total mies, weil nur Schlagzeuger Olaf (mein ZDL und Zimmer Kollege), Original und Cover kannte und den Riff nur sehr vereinfacht auf dem Bass vorspielte.
Wow. Eine Seite Syd Barrett!
(Juli 2006, for Werner Popp)
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